Heute vor 80 Jahren: Kriegsende in Staudt

26. März 1945

Morgens ziemlich ruhig. Mittags fliegen Jagdbomber ganz niedrig, beschießen, was sich blicken lässt. Nachmittags ziehen deutsche Soldaten, völlig abgehetzt und erschöpft, viele fußkrank, durch die Dörfer. Abends verebt der Strom. Nur noch einzelne Soldaten und Autos. Gegen 21 Uhr rollen die ersten amerikanischen Panzer heran. Wir sind alle im Keller. Nachts alles ruhig.

27. März 1945

Der Ami kommt. Den ganzen Tag Durchmarsch seiner Panzer und motorisierter Kolonnen. Auch am nächsten Tag Lastwagen mit Soldaten besetzt.

Diese Szenerie beschreibt 1985 Gretel Köhler, Westerwälder Mundartdichterin und Brauchtumskennerin aus Westerburg und sie gilt -einen Tag früher- auch für Staudt.

Am frühen Morgen des 26.3. stürzt mit gewaltigem Getöse die Eschelbacher Autobahnbrücke ein. US-Aufklärungsflieger dirigieren die Panzerspitzen. In Elgendorf brennt die Brüdermühle. Am gleichen Tag rücken amerikanische Soldaten in unser Dorf ein und wenige Tage später (8. Mai) ist der 2. Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation „offiziell“ beendet.

Es gab keinen Widerstand in der Bevölkerung. Weiße Flaggen und Betttücher werden an den Häuser gehisst.

Gottfried Meuer schreibt (in „Geschichten von Gottfried Meuer, Staudt“ auf Seite 129):

(…) in der Nacht ging schwere Artillerie in Stellung und schoß einige Granaten ab. Und die Ami-Panzer schossen von der Autobahn auf Staudt zurück. Es wurden wieder mehrere Häuser zerstört. Sonst gab es im Dorf keine Kampfhandlungen mehr. Am 26. März 14 Uhr waren alle Soldaten und Bonzen raus, die weißen Fahnen auch. Jetzt krochen wir endgültig aus den Kellern, wenn man auch zwischendurch immer mal draußen nachgesehen hat. Wir Jungen war froh, dass alles rum war. Mein Vater war sehr traurig. Zum zweiten Mal war für ihn der Krieg verloren.

Die Staudter Schulchronik vermerkt kurz und knapp:

Am Montag, den 26. März 1945 besetzten amerikanische Truppen nach etwa einstündigem Artilleriefeuer unser Dorf. Dabei wurden durch Granaten 2 Gebäude schwer und andere gering beschädigt. Personenschaden ist nicht entstanden.

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Bilanz des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg forderte weltweit über 60 Millionen Menschenleben – Soldaten wie Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder. Deutschland lag nach Jahren des Krieges in Trümmern, die Infrastruktur war zerstört, Städte ausgebrannt, Millionen Menschen obdachlos. Die nationalsozialistische Diktatur hinterließ ein beispielloses Erbe aus Leid und Schuld, nicht zuletzt durch den Holocaust und andere Kriegsverbrechen.

Auch für Staudt war diese Zeit von Tragödien gezeichnet. Die Kampfhandlungen im März 1945, als amerikanische Truppen einrückten, zerstörten Gebäude, doch das Schlimmste für die Bewohner war die Angst, die Ungewissheit und die Verluste, die der Krieg insgesamt mit sich brachte. Zahlreiche Männer aus dem Dorf waren als Soldaten gefallen, vermisst oder in Kriegsgefangenschaft geraten, Familien wurden auseinandergerissen. Während die weißen Fahnen an den Häusern wehten, bedeutete dies für viele nicht nur das Ende des Krieges, sondern auch den schmerzhaften Beginn eines Neuanfangs in einer ungewissen Zukunft.

Ich möchte diesen kleinen Beitrag abschließen mit einer Gedenktafel aller „Gefallenen und Vermißten der Gemeinde Staudt“. Leider ist der Ersteller unbekannt, aber dieses großformatige Poster habe ich in mehrfacher Ausfertigung gefunden bzw. gesehen (z. B. Archiven, Privathaushalten) und möchte es euch nicht vorenthalten. Bei nur 552 Einwohnern (Stand: 1939) ist es immer wieder erschreckend wie groß die Anzahl (47!) der hier aufgeführten Männern ist:

Gefallene Staudt 1945
Gefallene Staudt 1945